Yvonne Schnur

Null Toleranz bei sexualisierter Gewalt

Die Aufarbeitung geht voran - Gewalt und Missbrauch sichtbar machen

Sensibel werden für Grenzverletzungen

Vom 30. Januar bis zum 8. April haben wir im Dekanat Worms-Wonnegau eine Ausstellung zu Missbrauch an Kindern in evangelischen Heimen 1945-75 gezeigt, besprochen und für Betroffene sowie mit ihnen und ihren Angehörigen gebetet. Die Ausstellung begann mit einer großen Vernissage in der Magnuskirche am 30. Januar, bei der Karl-Heinz Deichelmann Berichte von Betroffenen aus dem Buch "Entstellter Himmel" gelesen hat. Katharina Schmitt spielte eigens dafür komponierte Stücke auf dem Cello vor. 

„In der evangelischen Kirche haben wir uns viel zu lange der Illusion hingegeben, dass Gewalt, vor allem sexualisierte Gewalt, in unseren Gemeinden und Einrichtungen ein seltenes Randphänomen sei“, so Thomas Ludwig, der als stellvertretender Dekan des Evangelischen Dekanats Worms-Wonnegau die Besucher:innen begrüßte. „Betroffene wurden nicht ernst genommen. Schuldige wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Strukturen, die Gewalt ermöglichen, wurden beibehalten“, fand Ludwig deutliche Worte. Damit sich dies ändert, müsse man hinschauen, zuhören und die „unaushaltbare Realität aushalten“. Damit der Nährboden für jede Art von Gewalt in den Köpfen und kirchlichen Strukturen austrocknen kann, müsse das Thema enttabuisiert und „wir alle sensibel werden für Grenzverletzungen“, forderte der Pfarrer.

Szenische Lesung mit Karl-Heinz-Deichelmann und Katharina Schmitt

Im Zentrum des Abends standen die Berichte zweier Betroffener von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Der Wormser Schauspieler Karl-Heinz Deichelmann las aus dem Buch „Entstellter Himmel“, Katharina Schmitt stellte das schier Unaussprechliche am Cello dar. Die Musik hatte sie eigens für diesen Abend komponiert.

Die erste ausgewählte Passage gab Briefe zwischen einem Betroffenen und seinem Peiniger wieder. Der damals 12-jährige Konfirmand wurde von seinem Pfarrer sexuell missbraucht und nahm 50 Jahre später den Kontakt auf. Erschütternd traf die Zuhörenden die Erkenntnis, dass der Täter noch heute keinerlei Unrechtsbewusstsein erkennen lässt. Dennoch: Das Schweigen zu brechen, sei der beste Weg gewesen um mit dem Geschehenen zu leben, so der Betroffene. Der zweite Bericht erzählte eine Ost-West-Geschichte. Durch Trennung der Eltern und Erkrankung der Mutter, kam der Betroffene zunächst in der DDR, später in der BRD ins Heim und erfuhr dort Gewalt, Angst, Isolation, Einsamkeit und sexuellen Missbrauch durch das pädagogische Personal. Bis heute hat er keine Entschuldigung erhalten.

Gesprächsangebot vor Ort und anonyme Kontaktmöglichkeit

Mehrfach luden die Veranstalter dazu ein, im Anschluss an die Lesung das Gespräch zu suchen. Dafür standen an diesem Abend mehrere Seelsorger:innen und psychologisch ausgebildete Fachkräfte bereit. Zudem wurde auf Kontaktmöglichkeiten hingewiesen, über die man auch anonym Hilfe erhalten kann.

Finissage am 6. April mit EKHN-Historikerin

Die Schau wird noch bis zum 14. Februar in der Magnuskirche zu sehen sein und zieht dann weiter nach Herrnsheim, Monsheim, Osthofen und Ibersheim. Während der Finissage am 6. April wird Anette Neff, Historikern und Mitarbeiterin der Fachstelle gegen Sexualisierte Gewalt der EKHN, über Entstehung und Hintergründe der Ausstellung berichten. Weitere Informationen gibt es im Vorfeld unter www.worms-evangelisch.de.

Im Januar 2024 wurde die Forum Missbrauchstudie veröffentlicht. Sie legte ausführlich dar, dass in der Evangelischen Kirche in Deutschland zahlreiche Missbrauchsfällle an Kindern und Jugedlichen verübt wurden, schlimmer noch teilweise vertuscht wurden. 

Wir wollen, dass diese Themen nicht nebulös oder unsichtbar bleiben.

Also haben wir zwei Ansprechpersonen in unserer Kirchengemeinde ernannt, die sich aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeiten sehr gut mit diesem Thema auskennen:

Dirk Fietkau: mail@love-over-toxic.de

Carola Wendland: carola_wendland@t-online.de

weiterführende Informationen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in unserer Landeskirche, EKHN:

ekhn.de

Selbsthilfegruppe: emotionale Gewalt und konflikthafte Beziehungen

(K)ein Grund zu feiern: Selbsthilfegruppe begeht Jubiläum

Eigentlich kein Grund zu feiern, doch für Betroffene ein Segen: Vor über einem Jahr wurde die Selbsthilfegruppe für betroffene Menschen bei psychischer und emotionaler Gewalt, Mobbing und emotionaler Abhängigkeit in Worms gegründet. Das Angebot der evangelischen Kirchengemeinde Worms-Innenstadt ist in der Region Rheinhessen und Pfalz bislang einzigartig. Von Beginn an erfuhr die Gruppe regen Zuspruch, sodass im Februar 2025 eine zweite eröffnet wurde.

KONTAKT

Pfarrerin Sophia Schäfer
Römerstraße 76
67547 Worms
Telefon: 06241 / 23 933
kirchengemeinde.worms.innenstadt(at)ekhn.de

Dirk Fietkau
Tel: 06233 / 353 58 59
mail(at)love-over-toxic.de

   

FOTO
Die Gruppenleitung: Pfarrerin Sophia Schäfer und Dirk Fietkau

weiterlesen...

Der Erfahrungsaustausch, die Aufklärung zur Erkennung und Einordnung der eigenen Situation sowie die konstruktive Konfliktarbeit stehen im Rahmen der Gruppenarbeit im Vordergrund. Lösungsorientierte Unterstützung und psychische Förderung werden durch Betreuung, Beratung und die Auflösung von vermeintlichen Opferrollen ergänzt. Weitere Aspekte umfassen die Besprechung möglicher Wege, den seelsorgerischen Ansatz sowie die Weitervermittlung an zusätzliche Hilfsangebote. Der Fokus liegt auf der Hilfe zur Selbsthilfe und der Förderung von Eigenverantwortung.

Die Gruppe wird von Pfarrerin Sophia Schäfer und Dirk Fietkau professionell angeleitet. „Ein zentraler Grundsatz der Gruppe ist die strikte Einhaltung von Vertraulichkeit und Anonymität. Dies schafft einen sicheren Raum und ist für das Vertrauen und die Offenheit unter den Teilnehmenden unerlässlich“, erklärt Gruppenleiter Fietkau.

Die Selbsthilfegruppe richtet sich an Erwachsene (ab 18 Jahre), die sich im privaten und/oder beruflichen Umfeld in dauerhaft intensiv konflikthaften Beziehungen/Bindungen befinden. Die Gruppe ist auch Anlaufstelle für Menschen, welche sich in einer emotionalen Abhängigkeit sehen. Das Angebot grenzt sich zu der Thematik der körperlichen/physischen Gewalt ab, dies steht explizit nicht im Fokus.

Das Angebot ist kostenfrei. Mit neuen Teilnehmenden wird zunächst ein telefonisches Vorgespräch geführt. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat, Termine sind auf Anfrage erhältlich.

 

KONTAKT

Pfarrerin Sophia Schäfer
Römerstraße 76
67547 Worms
Telefon: 06241 / 23 933
kirchengemeinde.worms.innenstadt(at)ekhn.de

Dirk Fietkau
Tel: 06233 / 353 58 59
mail(at)love-over-toxic.de

   

FOTO
Die Gruppenleitung: Pfarrerin Sophia Schäfer und Dirk Fietkau